Gensungen/Felsberg wird von Versäumnissen eingeholt
Für Torwart Michael Stahl war der letzte, vergebene Angriff seiner Mannschaft das „Spiegelbild einer ganzen Saison“. Besser der Versäumnisse der HSG Gensungen/Felsberg, die sie nach dem 29:29-Remis beim SV Auerbach mit dem Abstieg aus der 3. Handball-Liga Ost bezahlen musste.
Da schafften es die Edertaler mal wieder nicht, mit einem Mann mehr die gegnerische Abwehr auszuspielen. Und da übernahm mit Carsten Göbel ausgerechnet (nicht nur in dieser Szene) ein Spieler Verantwortung, der erst vor zwei Wochen reaktiviert worden war. „Zu spät“, mutmaßten manche HSG-Fans, was natürlich wie ein Armutszeugnis für die vermeintlichen Leistungsgträger anmutete, die jegliche Führungsqualitäten vermissen ließen. „Es ging keiner vorne weg, als es darauf ankam“, sagte Mario Schanze. Der Rückraumspieler selbst wurde daran durch eine Schulteroperation gehindert - einer von mehreren schwerwiegenden Ausfällen, die nach passablem Start (5:1-Punkte) den Abwärtstrend einleiteten. Trotzdem blieben genug Gelegenheiten gegen zu steuern. Doch es wurde „eine Saison der liegen gelassenen Chancen“ (Stahl), besonders zu Hause und speziell gegen die mitgefährdete Konkurrenz. Weil die Gefahr nicht früh genug erkannt wurde, die meisten immer noch - zumindest unterbewusst - von einem Selbstläufer wie in den vergangenen Jahren ausgingen. „Wir haben die Liga unterschätzt“, gesteht Spielmacher Philip Julius. Und als sich die Erkenntnis (mit Verspätung) durchsetzte, dass es im dritten Drittliga-Jahr für den langjährigen Zweitligisten erstmals eng werden könnte, zeigte sich, dass einige Spieler genau dieser Drucksituation nicht gewachsen waren. Arnd Kauffeld fand nach dem Rücktritt von Dragos Negovan, letztlich ausgelöst durch die 18:28-Derbypleite gegen Eintracht Baunatal, eine völlig verunsicherte Mannschaft vor. Einen Eindruck, den Carsten Göbel, noch an den beiden letzten Spieltagen bestätigte: „Die Mannschaft ist gehemmt und spielt nicht das, was sie eigentlich kann.“ Unter dem „Neuen“, der als langjähriger Kreisläufer unter Günter Böttcher die Gensunger Tugenden wie kaum ein anderer verkörpert, waren Ansätze zur Wende durchaus erkennbar, aber keine Stabilität. Der HSG-Coach, der selbstkritisch „sein Scheitern“ eingesteht, spricht von dem Versuch, „ein Haus Klötzchen für Klötzchen zu bauen, das dann aber immer wieder zusammenfiel.“ Dem entspricht seine Bilanz von 10:18-Punkten, Gegensätze wie eine 23:34-Niederlage beim SC Magdeburg gefolgt vom 35:23-Hoffnungsschimmer gegen den SV Anhalt Bernburg. Klare Hinweise darauf, dass die Edertaler den Klassenerhalt nicht erst in Auerbach verspielt haben. Auch wenn sie dort noch den Kopf aus der Schlinge hätten ziehen können, in den entscheidenden Situationen aber versagten. Wie schon einige Male zuvor.
Sprungbrett HSG Gensungen/Felsberg
Das bitterste aller Ergebnisse
3. Liga: Abstieg der HSG Gensungen/Felsberg nach 29:29-Remis perfekt - Göbel vergibt Siegchance
Tränen, Trauer, Fassungslosigkeit. Eine beeindruckende Gensunger Fangemeinde, die nach einem Fehlversuch entsetzt aufstöhnt. Und dann verstummt. Weil sie weiß, was die Konsequenz ist: der Abstieg ihrer HSG Gensungen/Felsberg aus der 3. Handball-Liga.
Ausgerechnet der überragende Carsten Göbel, ausgerechnet der reaktivierte Rückraumspieler, der sich nicht zu schade war, die Kastanien aus dem Feuer zu holen, hatte 30 Sekunden vor Schluss in Überzahl am Rande des Zeitspiels den Siegtreffer in der Hand. Als sich keiner traute, zog er ab - und setzte den Ball, hart von gleich drei Auerbachern bedrängt, übers Tor. Den gaben die Gastgeber danach nicht mehr her, retteten das 29:29 über die Zeit. Und feierten das Remis wie einen Sieg, weil es für den Aufsteiger den Klassenerhalt bedeutete und für den Gegner die Viertklassigkeit. Für Göbel „das bitterste aller möglichen Ergebnisse“ in diesem Abstiegsendspiel. Weil es für die Oberpfälzer so gerade noch reichte - und für sein Team eben nicht. Das hatte sich zuvor nach einem 16:20-Rückstand (40.) in einem wahren Hexenkessel zurück gekämpft. Und auf dem Weg dorthin sogar eine doppelte Unterzahl weggesteckt, als fast zeitgleich Wiegräfe und Göbel auf die Strafbank mussten. Spielmacher Julius gelang bei vier gegen sechs sogar das 19:21 (44.). Dann nagelte der eingewechselte Marc Lauterbach, gestützt auf eine kompakte 6:0-Deckung, seinen Kasten fast völlig zu. Seine Vorderleute dankten es ihm mit einem 4:0-Lauf zur 23:22-Führung (50.). Für Momente schienen die Edertaler Angreifer ihre Hemmung im Abschluss abgelegt zu haben, ehe sie erneut zauderten. Statt dem wankenden Kontrahenten, der sich höchstens noch auf seinen pfeilschnellen Tempogegenstoß - meist über den dynamischen Mario Schmidtke - verlassen konnte, den Rest zu geben, ließen sie eine Überzahl (2:2) ungenutzt und bereiteten so den Weg zu einem dramatischen Finale. Mit fatalem Ausgang, weil Carsten Göbel, nach der Pause Gensungens einzige durchschlagskräftige Offensivkraft, sein neunter Treffer verwehrt blieb. In der ersten Hälfte hatte diese Rolle noch Kevin Trogisch übernommen. Da der Linkshänder jedoch zum Alleinunterhalter im HSG-Rückraum mutierte, gelang es den Auerbachern, sich mit ihrer offensiven Deckung schließlich auch auf den 19-Jährigen einzustellen. Und die Partie trotz eigener beschränkter Mittel, angetrieben vom torgefährlichen Regisseur Matthias Werner, ausgeglichen zu gestalten. Ein Kampf auf Biegen und Brechen, in dem die Edertaler alles gaben. Aber eben nicht alle alles zeigten. Ihr wunder Punkt: der Positionsangriff. „Uns fehlte der unbedingte Drang zum Tor“, beschrieb Trainer Arnd Kauffeld das wohl spielentscheidende Manko seiner Schützlinge. So verpufften Stahls Paraden in der ersten und die eigene Aufholjagd in der zweiten Hälfte. Klarer Fall von Angst, die bei den Gästen mitspielte und zum größten Verbündeten der Gastgeber wurde. Die mitgereisten Anhänger hatten ein feines Gespür dafür, mit ihrer nimmermüden Anfeuerung die bösen Geister zu verjagen versucht. Letztlich vergeblich.
Auerbach: Walzik (12 Paraden/20 Gegentore), Adam (ab 46., 4/9); Tannenberger, Matthias Werner 9/2, Weiss, Hofmann, Michael Werner 3, Bader 3, Hackenberg 3, Wannenmacher, Schnödt, Reger, Scmidtke 10/3.
Gens./Felsberg: Stahl (12/20), Lauterbach (ab 40., 5/9); Bauer 1, Hütt 1, Göbel 8, Bärthel, Trogisch 4, Schanze 1, Viehmann 6/4, Vogel 1, Julius 3, Grambow 2, Wiegräfe, Walther 2. SR: Jäger/Thomas. - Z.: 1000. Siebenmeter: 7/5:4/4. Zeitstrafen: 8:10 Minuten.
Sprungbrett HSG Gensungen/Felsberg