Bereits um 14:45 Uhr bricht der Blau-Weiße Tross an diesem Samstag auf nach Unterfranken. Ziel ist Lohr am Main im Landkreis Main-Spessart. Die Stadt mit etwa 15.000 Einwohnern liegt am Ostrand des Spessart an einer Biegung des Mains ungefähr auf halber Strecke zwischen Würzburg und Aschaffenburg. Der Landkreis grenzt im Nordwesten an Hessen, im Süden bildet der Main einen Teil der Landesgrenze zu Baden-Württemberg. Schon seit dem 8. Jahrhundert besiedelt und im Jahr 1295 erstmals urkundlich erwähnt, erhielt Lohr am Main bereits 1333 das Stadtrecht. Nach wechselhaften politischen wie religiösen Zugehörigkeiten wurde die Stadt im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zunächst verschont, bevor 1632 die Schweden einfielen. Als zudem die Pest die Stadt heimsuchte, verlor Lohr die Hälfte seiner damaligen Bürgerschaft. Nach 1648 erblühte das handwerkliche Leben, einerseits auf den Schiffsbauplätzen, andererseits durch die Gründung der Kurmainzischen Spiegelmanufaktur. Die bis 1806 bestehende Manufaktur machte in ihrer Blütezeit sogar Venedig Konkurrenz und Lohr damit weltweit bekannt. Neben den davon noch heute teilweise vorhandenen Gebäuden hat der Ort im Stadtkern viele weitere Sehenswürdigkeiten zu bieten, wie das Alte Rathaus, das Lohrer Schloss, die Pfarrkirche St. Michael und den Bayersturm, das Wahrzeichen der Stadt. Die gut erhaltene Altstadt mit einem Ensemble von Fachwerkhäusern lädt ebenso zur Besichtigung ein, wie das historische Fischerviertel oder die aus dem Jahr 1845 stammende Alte Mainbrücke.
Bevor nun der Fokus für die eher sportlich Interessierten auf den Handball gerichtet wird, sei zunächst noch am Rande erwähnt, dass mit Torfrau Nadine Angerer eine Fußballwelt- und Europameisterin aus Lohr stammt.
All diese Fakten werden zur Nebensache, wenn am Samstag der 7. Spieltag der Handball-Oberliga ansteht. Da interessieren auch nicht mehr die bisher immer stimmungs- und spannungsgeladenen Begegnungen zwischen beiden Teams oder die ausgeglichene Statistik mit deutlichen Niederlagen ebenso wie mit Siegen in letzter Sekunde. Kaum einer wird einen Gedanken an die ruhmreiche Geschichte des Lohrer Handballs verschwenden, geht es doch scheinbar für die Unterfranken in dieser Runde eher um den Erhalt der Klasse. Nachdem man schon im Vorjahr dem Abstieg nur knapp entging, wurde die Mannschaft deutlich verjüngt. Einige der „alten“ und verdienten Recken ließen der Jugend den Vortritt und laufen seither für die 2. Mannschaft auf. Mit vier starken Neuzugängen ging man in die Runde und wurde von nicht wenigen als einer der Favoriten gehandelt. Immerhin blieben absolute Leistungsträger wie der lettische Nationalspieler Janis Gremzde, Torhüter Manuel Prokscha und Linksaußen Andreas Avar dem Team ebenso treu wie die torgefährlichen Rückraumakteure Bohuslav Zelený und Yannik Bardina. Letzterer wurde am Ende der letzten Saison bayernweit zum besten Rückraum-Rechten gewählt. Beide haben in den ersten sechs Partien nicht nur fast die Hälfte aller TSV- Treffer erzielt, sondern gehören auch ligaweit zu den besten Torschützen.
„Es ist kaum zu erklären, warum ein Team mit so vielen guten Handballern und einem Umfeld wie der TSV Lohr solche Probleme hat“ warnte Tobias Wannenmacher davor, die Unterfranken zu unterschätzen. „Zwei Remis, vier Niederlagen und doch nur „minus 13“ Tore, das spricht für sich. Außer in Waldbüttelbrunn (26:19) war jede der Niederlagen äußerst knapp.“ Dennoch trennte man sich in der Vorwoche überraschend von Spielertrainer Otto Fetser. Der Linkshänder hatte immer wieder seine langjährige Erfahrung aus der 1. und 2. Bundesliga auf der rechten Außenbahn eingebracht, wurde jetzt jedoch für den ausbleibenden Erfolg der Mannschaft verantwortlich gemacht.
Ob die Probleme des TSV jedoch eher in einer gewissen Verletzungsmisere begründet liegen und ob sein Nachfolger Dieter Hess (61) damit besser zurecht kommt, werden die nächsten Spiele zeigen. Der in Partenstein lebende Hess bringt jedenfalls auch Einiges an Erfahrung als Trainer mit. Neben der männlichen B-Jugend der Lohrer trainierte er 2012 auch eine halbe Saison die Zweitliga-Damen der TSG Ober-Eschbach. Außer Janis Gremzde (Sehnenriss in der Schulter) werden zwar voraussichtlich alle Spieler antreten können, inwieweit aber die Neuzugänge Steffan Meyer und Tim Mechler nach längerer Pause spielen, bleibt abzuwarten. Beide hatten letzte Woche erstmals wieder einige Minuten Einsatzzeit bekommen.
„Ich hoffe auf die Reisefreude unseres Publikums, denn in der Spessarttor-Halle spielt man nicht nur gegen das Team auf dem Feld, sondern zusätzlich gegen 500 Zuschauer auf der Tribüne. Ich bin gespannt, wie meine Spieler damit umgehen werden. Wichtig wird sein, von Beginn an in der Defensive aggressiv und im Angriff konzentriert zu arbeiten. Daneben erwarte ich ähnlich gute Torhüterleistungen wie zuletzt“ gab Tobias Wannenmacher die Marschroute für die Partie vor.
Aufstellung: Walzik, M. Müller, Tannenberger, Weiss, Lux, Schnödt, Wannenmacher, Herold, Schmidtke, Schramm, F. Müller, Wolf, Schöttner