Ausgerechnet beim wahrscheinlichen Staffelmeister und Aufsteiger in die 2. Bundesliga HSC 2000 Coburg treten die Handballer des SV 08 Auerbach an diesem Sonntag zu ihrem letzten Auswärtsspiel der Saison an. Nach der mehr als bitteren Niederlage im Derby gegen den TSV Rödelsee am vergangenen Samstag und dem damit höchstwahrscheinlich endgültig verpassten Klassenerhalt kann die Devise für die Partie in der HUK-Coburg arena nur lauten: Spaß haben und befreit aufspielen.
„Wir werden keinesfalls die letzten beiden Spiele abschenken“ gab jedoch Spielertrainer Tobias Wannenmacher unter der Woche die Marschroute für das Saisonfinale vor. „Zum einen wollen wir uns mit Anstand aus der Liga zu verabschieden, zum anderen wollen wir den Wettbewerb nicht verzerren.“ Zumindest eine spektakuläre Kulisse erwartet die Wannenmacher-Sieben in ihrem vorläufig letzten Bayern-Derby in der 3. Liga. Durchschnittlich 2.500 Zuschauer pilgern jedes zweite Wochenende in die hochmoderne, 2011 fertiggestellte Sportarena in der Oudenaarder Straße. Verkehrsgünstig direkt an der A73 im Industriegebiet „Lauterer Höhe“ gelegen, hat die Halle ein Fassungsvermögen von offiziell 3.282 Zuschauern. Allerdings wurde in der vergangenen Spielzeit gegen die DjK Rimpar Wölfe wie in der laufenden Saison gegen den HSC Bad Neustadt mit über 3.500 Zuschauern der Rekord für die 3. Liga bereits mehrmals gebrochen. Die Oberpfälzer sollten dieses Spiel also als Spektakel auffassen, in dem sie unter Beweis stellen können, dass mehr in ihnen steckt, als sie zuletzt zeigen konnten.
Auf Zählbares zu hoffen wäre dabei allerdings etwas vermessen, schließlich hat der HSC 2000 Coburg in eigener Halle in der laufenden Runde - dies jedoch zur Überraschung Vieler - lediglich am 5. Spieltag gegen die SG H2Ku Herrenberg die Punkte abgegeben. Zudem haben die Oberfranken unter der Woche durch ihren Sieg im Nachholspiel gegen Vorjahresmeister TSV Friedberg erstmals seit Monaten wieder die Tabellenspitze erobert. Begünstigt durch die letzten Ergebnisse des monatelang souveränen Tabellenführers HSC Bad Neustadt und des zu ihren Gunsten stehenden direkten Vergleichs, hat Coburg nun wieder die besten Möglichkeiten, die Meisterschaft für sich zu entscheiden und den lange ersehnten Aufstieg in die 2. Bundesliga perfekt zu machen. Es ist daher äußerst unwahrscheinlich, dass sich die Vestestädter noch einmal von diesem Weg abbringen lassen.
Trainer Jan Gorr (36) kann den voraussichtlichen Aufstieg mit einer gewissen Genugtuung genießen, schließlich hat er damit erneut bewiesen, dass er 1. und 2. Bundesliga kann. Nach dem Reserveteam der HSG Wetzlar und dem TV Hüttenberg, mit dem er sogar für eine Saison in die 1. Bundesliga aufgestiegen war, sollte er zur Saison 2012/2013 als Übungsleiter zum VfL Gummersbach wechseln. Allerdings entschied der VfL noch vor seinem Amtsantritt, dass der bisherige Interimstrainer Emir Kurtagic weiterhin Trainer bleiben solle. Am 1. Februar 2013 einigten der VfL Gummersbach und Gorr sich auf eine Vertragsauflösung und bereits wenige Tage später wurde Gorr als Trainer vom HSC 2000 Coburg zur Saison 2013/14 verpflichtet. Daneben wurde er Nachfolger von Frank Carstens als Co-Trainer des deutschen Nationalteams.
Garanten für den Erfolg sind neben der finanziellen Unterstützung durch die HUK-Coburg Versicherungsgruppe sowie dem für die Liga ungewöhnlich hohen Zuschauerzuspruchs zweifelsohne die diesjährigen Spieler in den Reihen der Oberfranken. So zeigten im bisherigen Saisonverlauf vor allem der wieselflinke Rechtsaußen Ronny Göhl (137 Tore) und der sehr agile Kreisläufer Dominic Kelm (115 Tore) ihre Offensivfähigkeiten. Der nach langer Verletzungspause wiedererstarkte Linkshänder Johan Andersson (88 Tore) sorgt von der rechten Rückraumseite ebenso für ständige Torgefahr, wie Sebastian Roth (72 Tore) von der linken. Dabei ist die Offensive noch nicht einmal das Prunkstück der Coburger, sondern ihr in der Statistik mit weitem Abstand führender Abwehrverband. Lediglich dem Tabellenzweiten HSC Bad Neustadt gelang es in dieser Runde bisher unter 700 Gegentoren zu bleiben. Es zeigt sich wieder einmal eindrucksvoll, dass die alte „Sportweisheit“, nach welcher die Offensive zwar Spiele, die Defensive aber Meisterschaften gewinnt, durchaus ihre Berechtigung hat. Zu dem großen Erfolg der Coburger Defensive tragen einen großen Teil die beiden Torhüter Håvard Martinsen und Oliver Krechel bei, die nach Meinung vieler Experten eines der besten Gespanne der gesamten Liga bilden.
Was also kann der wahrscheinliche Absteiger aus Auerbach an diesem Sonntag erreichen? Die Wahrscheinlichkeit auf Zählbares tendiert offenbar gegen Null, der Gegner erscheint zu übermächtig. Zudem müssen die Oberpfälzer wahrscheinlich einmal mehr dezimiert antreten. Matthias Schnödt hat nach seiner Verletzung in Zweibrücken zwar schon wieder eingeschränkt mittrainieren können, es ist jedoch nicht sehr wahrscheinlich, dass er bereits gegen Coburg wieder auflaufen kann. Daneben war noch nicht klar, ob Matthias Werner dabei sein wird. „Wir versuchen dem Team klar zu machen, dass es noch einmal die Atmosphäre in der Arena genießen soll, dass es befreit aufspielen kann und dass es Spaß haben soll. Es wird in nächster Zeit nicht allzu viele Möglichkeiten geben, gegen einen (voraussichtlichen) Zweitligisten anzutreten“ erklärte Tobias Wannenmacher am Rande einer Trainingseinheit. Man wolle vor allem verhindern, dass der HSC „uns aus der Halle schießt“.
Trotz der Tabellensituation und der vermeintlich aussichtslosen Lage soll sein Team von Beginn an konzentriert arbeiten und zeigen, dass mehr in ihm steckt, als zuletzt gesehen. „Ich habe keine Lust, nach fünf Minuten beim Stand von 1:5 die erste und zehn Minuten später beim 3:9 die zweite Auszeit zu nehmen.“ Wem dieses ungleiche Derby zu wenig Attraktivität ausstrahlt, der hat in der Europastadt Coburg eine Vielfalt an Alternativen. So thront über einer gut erhaltenen Altstadt mit vielen sehenswerten Bauwerken und Denkmälern mit der Veste Coburg, eine der größten Burganlagen Deutschlands. Handball-Auerbach wird jedoch an diesem Sonntag eher in der Arena an der A73 zu finden sein.
Aufstellung: Adam, Walzik, Schramm, Tannenberger, Weiss, Müller, Lux, Wannenmacher, Brodschelm, Herold, Wolf, Schmidtke, Schöttner