„Zwei Seelen wohnen, ach! In meiner Brust!“ Frei nach diesem Zitat aus Goethes Faust könnte man die Gemütslage der Auerbacher Handballer vor dem anstehenden Spiel gegen den TV Hochdorf charakterisieren. Die Oberpfälzer befinden sich in einem gewissen Konflikt, wie sie die Partie einschätzen sollen. Einerseits ist es eines der „leichteren“ Spiele der Saison. Die Rollen sind eindeutig verteilt, Hochdorf hat sich im Laufe der Runde als eines der Spitzenteams erwiesen und ist daher der klare Favorit.
Vom ersten Spieltag an lief es rund bei den seit der Saison 2006/07 ununterbrochen drittklassigen Rheinland-Pfälzern. Hatte man in der vergangenen Spielzeit noch knapp am letzten Spieltag mit einem 29:29 Unentschieden bei der Bundesligareserve der SG Kronau-Östringen das Abstiegsgespenst endgültig vertrieben, so startete man in die neue Runde mit sechs Siegen in sieben Spielen. Dabei kam den „Bibern“ zwar zugute, dass man bis dahin fünfmal zu Hause antreten durfte, allerdings zeigten sie im Anschluss auch auswärts, dass sie nur von wenigen Mannschaften die Punkte abnehmen lassen. Lediglich die TGS Pforzheim, der HSC Bad Neustadt, die HSG Konstanz und der HSC 2000 Coburg konnten in ihren eigenen Hallen dem Team um Trainer Benjamin Matschke (30) eine Niederlage beibringen, der SV Salamander Kornwestheim schaffte zumindest ein Remis. Die einzige Heimniederlage verzeichnete man gegen den HSC Coburg. Wer daraus eine Auswärtsschwäche der „Biber“ konstruieren wollte, der sei erneut auf Goethes Faust verwiesen; „Es irrt der Mensch, so lang er strebt.“
Denn andererseits wird dieses Spiel eines der „schwersten“ der Saison. Trainer Benjamin Matschke, der nach zwei Kreuzbandrissen innerhalb von zwei Jahren seine aktive Laufbahn hatte beenden müssen, bringt nicht nur selbst Zweit- sondern auch Erstliga- Erfahrung mit ins Team. Ihm steht eine Mannschaft zur Verfügung, die in der Staffel an athletischer Ausgeglichenheit ihresgleichen sucht. Steffen Dietz auf der rechten Außenbahn ist mit 1,78 Metern der einzige Akteur unter 1,80 Meter Körpergröße, allein acht Spieler sind sogar deutlich über 1,90 Meter groß. Zu ihnen zählt unter anderem der vor der Saison vom TV Großwallstadt verpflichtete Kreisläufer Steffen Bühler (28), der bereits im Hinspiel eines der größten Probleme für die damals komplett überforderte Abwehr der Auerbacher darstellte und alleine insgesamt sechs Treffer erzielte. Die größte Gefahr ging im bisherigen Saisonverlauf jedoch eher von der linken Angriffsseite der „Biber“ aus. Der Ex-Friesenheimer Tim Beutler als Spielmacher und Teilzeit-Linksaußen, Niklas Schwenzer auf der linken Außenbahn und allen voran Jonas Kupijai von der linken Rückraumseite trugen ihren Anteil dazu bei, dass der TV Hochdorf derzeit als das angriffsstärkste Team der Staffel dasteht. Was auch kaum verwundern kann, schließlich verfügen etliche der Spieler trotz ihres jugendlichen Alters über einiges an Zweitliga- Erfahrung. Neben Beutler, Dietz und Schwenzer stehen seit dieser Saison mit Jan Clausen und Christopher Klee zwei weitere ehemalige Spieler des momentanen Zweiten der 2. Bundesliga TSG Friesenheim auf der Platte. Die beiden talentierten Rückraumakteure sowie der Linksaußen sind zudem noch ausgestattet mit einem Zweitspielrecht bei ihrem ehemaligen Team. Somit werden diese Drei an diesem Wochenende zu zwei Einsätzen kommen, da die TSG Friesenheim am Freitag bei der HG Saarlouis antreten muss.
„Wir wollen nicht wieder so chancenlos dastehen, wie im Hinspiel“ forderte Auerbachs Spielertrainer Tobias Wannenmacher unter der Woche. „Damals haben wir gar nicht so schlecht gespielt, aber man hatte während der gesamten Spielzeit das Gefühl, Hochdorf könne jederzeit noch „einen Gang hoch schalten“. Vor allem die Kraft schonenden Tore über den Kreis und die Tempogegenstöße waren damals der Schlüssel zu dem deutlichen Erfolg des TV.“ Wannenmacher hofft, dass seine junge Truppe in der Lage ist, den bisherigen Verlauf der Rückrunde einigermaßen auszublenden und sich weniger auf die Niederlagenserie als viel mehr auf ihre Stärken zu konzentrieren. Zumindest die Trainingsleistungen lassen Raum für etwas Hoffnung, auch wenn einige der Spieler krankheitsbedingt bzw. aus beruflichen Gründen nicht an jeder Einheit teilnehmen konnten.
Doch wie sagt Mephistopheles in Goethes Faust? „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie.“ Was helfen die besten Ergebnisse im Training, wenn man am Samstag auf dem Spielfeld nicht in der Lage ist, das Erarbeitete umzusetzen? „Wir wissen, was wir können und wir wissen, wo unsere Fehler liegen. Bei drei Trainingseinheiten pro Woche kann man aber immer nur einzelne Aspekte ansprechen und versuchen zu verbessern oder abzustellen“ erklärte der Trainer. Ein weiterer wichtiger Aspekt im Kampf um den Klassenerhalt ist sicherlich die Unterstützung des Publikums. Gerade jetzt ist es wichtig, die Ruhe zu bewahren. „Es zeigt sich wieder einmal, dass in Auerbach die Uhren eben doch etwas anders gehen“ meinte Co-Trainer Michael Graß am Rande einer Trainingseinheit im Hinblick auf die Ereignisse beim Ligakonkurrenten Rödelsee. „Der Druck in der 3. Liga ist riesig, da müssen wirklich alle zusammenhalten und an einem Strang ziehen – Mannschaft, Verantwortliche und die Zuschauer sind gefordert, für das große Ziel bis zur letzten Minute alles zu geben.“ Beinahe möchte man dem Team, aber auch den „500 Trainern“ auf der Tribüne mit den Worten Goethes zurufen: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen!“
Aufstellung: Adam, Walzik, Schramm, Tannenberger, Weiss, Müller, Werner, Wannenmacher, Brodschelm, Herold, Wolf, Schmidtke, Schöttner