„3-2-1-Aus“ Mit diesem Motto gehen die Handballer des SV 08 Auerbach in die letzten Spiele der Runde. Wie unter der Woche bekannt wurde, sieht sich der Verein leider außerstande, für die Saison 2016/2017 eine wettbewerbsfähige Mannschaft für die 3. Liga zu melden. Damit sind dies nicht nur die letzten drei Saisonspiele für die Oberpfälzer, sondern auch ihre Abschiedsauftritte im Konzert der 102 besten Teams Deutschlands. Der Rückzug könnte kaum zu einem überraschenderen Zeitpunkt kommen, weshalb er für ein Gutteil Handball-Deutschlands einem „Paukenschlag“ gleichkommt. Anders als in den Drittligajahren zuvor, wurde das Klassenziel frühzeitig erreicht und mit ein wenig Glück steht das Team um Tobias Wannenmacher sogar vor dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte.
Doch bevor die inzwischen neu gesteckten Ziele – einstelliger Tabellenplatz und positives Tore- wie Punktekonto – in Erfüllung gehen, sind noch drei mögliche Stolpersteine zu überwinden. Einer davon steht im nordhessischen Baunatal, einer Stadt unmittelbar südlich von Kassel. Benannte nach dem Fluss Bauna wurde sie am 01. Januar 1964 als Folge der im Jahr 1957 erfolgten Ansiedlung der Volkswagen AG durch den Zusammenschluss von sieben bis dahin selbständigen Gemeinden gegründet. Hatte sie bereits zwei Jahre später mehr als 11.700 Bewohner – im VW-Werk arbeiteten zu diesem Zeitpunkt über 13.400 Menschen – so ist die Einwohnerzahl inzwischen auf über 27.400 angewachsen. Neben der alteingesessenen Hütt-Brauerei ist und bleibt Volkswagen der größte Betrieb der Stadt und darüber hinaus ganz Nord-Hessens. Ein ausgeprägtes Vereinsleben und eine hervorragende Infrastruktur veranlassten die Stadt, sich selbst zur Sportstadt zu ernennen. Dabei prägen vor allem die beiden Vereine KSV Baunatal (Fußball Regionalliga) und GSV Eintracht Baunatal (Handball) mit insgesamt mehr als 10.000 Mitgliedern das sportliche Geschehen in der Stadt.
Nachdem der GSV, benannt nach Großenritte, einer der ehemaligen Gemeinden, im Vorjahr noch in der 2. Bundesliga antrat und nach finanziellen Problemen seiner Spielbetriebs-Gesellschaft den Schritt in die 3. Liga antreten musste, kam es zu einem gewaltigen Umbruch im Team. Lediglich fünf, sechs Spieler blieben bei der Stange und hielten dem Verein die Treue. Neu-Trainer Mirko Jaissle (43) musste mit jungen und talentierten Akteuren, meist aus der Landes- bzw. Verbandsliga sowie aus der eigenen Jugend, ein runderneuertes Team um ein Gerüst aus erfahrenen Spielern aufbauen und mit ihr das Saisonziel Klassenerhalt in der 3. Liga angehen. Dass er sich dabei vor allem auf seine „Erste 6“ aus meist zweitligaerfahrenen Spielern verlässt, ist mehr als verständlich. Angefangen von der mit dem erfahrenen 1,96 Meter großen Constantin Paar (35) im Tor, steht diese erste Reihe den Großteil der Spielzeit auf dem Feld. Dabei agiert auf der linken Seite mit Felix Gessner (25, 157 Tore) einer der torgefährlichsten Außenspieler der Liga. Daneben folgen der ebenfalls 1,96 Meter große Phil Räbiger (25, 97 Tore) sowie Spielgestalter Dennis Weinrich (26). Da letzterer zeitweise verletzungsbedingt ausfiel, konnte sich Neuzugang Justin Brand (21) als Mittelmann etablieren und erfolgreich die Fäden des Spiels in die Hand nehmen. Zudem glänzt er auch als Vollstrecker und war bisher bereits 65mal erfolgreich. Auf der rechten Außenbahn wirbelt mit Christian Schade (34) einer der erfahrendsten Spieler des Teams. Er tritt auch als meist sicherer Siebenmeterschütze auf und trug sich so mit 94/46 Treffern in die interne Torschützenliste ein. Letzter im Bunde ist der Pole Paul Gbur (30) auf Halbrechts. Der Linkshänder versteht es, auch aus überraschenden Positionen und ohne große Vorbereitung abzuziehen, weshalb er das Spielgerät bereits 78mal im gegnerischen Netz unterbringen konnte. Da sich auf seiner Position mit dem jungen Niklas Plümacher (21) ein weiterer talentierter Linkshänder mit inzwischen 52 Toren etablieren konnte, bieten sich Trainer Jaissle immer mehr Wechselalternativen.
„Ich werde, wenn nötig, auch weiterhin den jungen Spielern die Möglichkeit geben, sich zu beweisen“ gab denn der Übungsleiter auch zuletzt bekannt. Es sind die Mischung aus erfahrenen und talentierten Akteuren im Zusammenspiel mit ehrgeizigen jungen Spielern, sowie auch der Mut des Trainers, die den GSV zu einem unberechenbaren Gegner machen. Auch von der aktuellen Position und dem bisher eher ungleichmäßigen Saisonverlauf der Hessen darf man sich nicht beeindrucken lassen. Nach dem holprigen Start hatte sich das Team deutlich besser gefunden und kletterte ins Mittelfeld der Tabelle. Es folgte eine Phase mit Verletzungen von wichtigen Spielern wie Dennis Weinrich und Felix Gessner und das Abrutschen in die Abstiegszone. Der Kader ist zwar derzeit wieder komplett, dennoch steht man nach zuletzt vier Niederlagen in Folge mit dem Rücken zur Wand. Nur noch ein Zähler trennt die Hessen von Rang 14, üblicherweise dem ersten Abstiegsplatz. Aufgrund des Auerbacher Rückzugs werden jedoch die Drittletzten der vier Staffeln auch nach dieser Saison in einem Relegationsturnier um den freien Platz im Feld der 64 Drittligisten kämpfen.
„Baunatal wird alles geben, um die Relegation zu vermeiden und den direkten Klassenerhalt klar zu machen“ warnte deshalb Tobias Wannenmacher auch seine Schützlinge. „Sie haben gute Schützen, beherrschen aber auch das schnelle, flinke Spiel und haben uns damit schon im Hinspiel zu schaffen gemacht und uns eine ärgerliche 28:31 Niederlage beigefügt.“ Trotzdem fahren die Oberpfälzer mit dem in den vergangenen Spielen gewonnenen Selbstvertrauen nach Nordhessen. „Wir wollen jegliche Wettbewerbsverzerrung vermeiden und werden allen Querelen zum Trotz bis zum Ende alles dafür tun, unsere Ziele zu erreichen. Wir wollen uns mit Anstand verabschieden.“
Aufstellung: Bayerschmidt, Goebel, Tannenberger, Weiss, Neuß, Lux, Laugner, Wannenmacher, Schnödt, Büttner, Schramm, Müller, Wolf, Schöttner