AUERBACH/PEGNITZ - Nach zwölf sehr intensiven Jahren steht Michael „Josche“ Graß am Samstag vorerst zum letzten Mal als Trainer am Spielfeldrand. Nach dem Derby des SV 08 Auerbach bei seinem früheren Verein, HaSpo Bayreuth wird der 50-Jährige Familie und Hobbys den Platz widmen, der bislang dem Handballsport vorbehalten war.
Im Rückblick auf die fast sechs Jahre in Auerbach erinnert sich der Pegnitzer vor allem an viele warmherzige Menschen und „gute Seelen“. Und ganz besonders intensiv sind nicht etwa die Erinnerungen an die Meisterschaft in der Landesliga Nord vor zwei Jahren oder an die hervorragenden vierten und zweiten Plätze in der Bayerischen Oberliga, sondern an das „knappe Nichtabstiegsjahr“.
Die Spielzeit 2007/08 sei die schwierigste, aber interessanteste Saison gewesen, so Graß. Die Situation war für ihn als Trainer und für die Mannschaft neu. „Damals ging es um die Existenz, und die Jungs haben sich super gut mit der Lage auseinander gesetzt.“ Der gemeinsame Kampf sei die Geburtsstunde der späteren Meistermannschaft gewesen. Das Wort „Herzblut“ prägte damals Philipp Schöttner.
Michael Graß war immer bekannt für seine Visionen: „Die treiben mich an.“ Die Ziele wurden jedes Jahr vor Saisonbeginn mit dem Team besprochen und von jedem Einzelnen unterschrieben. Dass mit der Ersten des SV 08 erfolgreicher Handball möglich ist, habe er von Anfang an gewusst. Beim Antritt sagte Graß zu Manager Peter Hackenberg: „Wer in der Jugend schon Bayernmeister war, muss auch im Männerbereich um die bayerische Meisterschaft spielen.“
Mit dem zweiten Platz in der Bayernliga hat er die Spieler schon weit nach vorne gebracht. Das Ergebnis am Samstag in Bayreuth kann an der Vizemeisterschaft nichts mehr ändern. Im Vorfeld hat der 50-Jährige sogar das Training gelockert, erzählt er im NN-Gespräch. Dennoch werde die Mannschaft mit Ehrgeiz ins Derby gehen, denn es sei auf jeden Fall ein „Prestigespiel“.
Als Michael Graß im Oktober 2005 das Training in Auerbach übernahm, waren manche Spieler gerade aus der A-Jugend gekommen. „Druck macht aus Kohle Diamanten und aus talentierten, jungen Spieler erfolgreiche Bayernligahandballer.“ Dieser Weisheit entsprechend formte der Pegnitzer die „jungen Wilden“ zu einer Mannschaft, die mittlerweile in ganz Handball-Bayern angesehen ist.
Neben sportlichem Können wurden nebenbei auch erzieherische Werte vermittelt. Dafür habe ihm erst unlängst ein Spieler gedankt. Besonders stolz ist Graß auf die Entwicklung von Maximilian Hofmann und Ralph Weiss. Die gesamte Entwicklung der Mannschaft sei einfach „nur beeindruckend“.
Der Abschied beim letzten Heimspiel war für Michael Graß ein „sehr emotionaler Moment mit einem Kloß im Hals“. Aber bedauert hat er seinen Entschluss deshalb nicht. Die Saisonvorbereitung sei stets die reinste Herkulesarbeit. „Der Druck ist nicht zu unterschätzen.“ Der Zeitaufwand für ihn sei deshalb stets besonders groß gewesen, weil der Sport ihn nie losließ, weil ihn der Handball „im Kopf immer beschäftigt“ habe.
Familie war überrascht
Als er der Familie seinen Entschluss mitteilte, waren alle sehr überrascht und ein wenig schockiert. Und im Grunde wissen alle, auch Graß: „Ganz ohne Handball geht es wohl gar nicht.“ Aber ein Jahr werde er es sicher gut aushalten können, ohne an verantwortlicher Stelle engagiert zu sein. Radfahren ist für ihn längst mehr als ein Steckenpferd geworden.
Ab nächster Woche wird er die bisherigen Trainingsabende für die eigene Fitness verwenden. Ende September möchte der Pegnitzer mit einem Freund die 1000-Kilometer-Strecke nach Venedig angehen. 14 Tage wollen die beiden unterwegs sein.
Und danach will Michael Graß oft als Zuschauer in die Auerbacher Sporthalle kommen und „seine Jungs“ von der Tribüne aus beobachten. Das ruhige Sitzenbleiben werde er sicher lernen. Sein Nachfolger Klaus Jahn habe er bereits Unterstützung zugesagt, falls „altes Wissen“ notwendig ist.
Der 50-Jährige freut sich, dass die Mannschaft zusammenbleiben wird, und dass mit Multipositionsspieler Matthias Werner eine weitere Verstärkung kommen wird.
„Die Mannschaft hat Magnetismus. Die sportliche Ausrichtung geht eindeutig nach oben.“ Graß’ Abschiedsvision gibt dem Team viel Motivation mit auf den Weg in die dritte Bayernliga-Saison.
Brigitte Grüner
Sprungbrett NN