Von einer derart sensationellen Verpflichtung hätte in Auerbach, mit Ausnahme des Trainers vielleicht, wirklich niemand zu träumen gewagt. Nachdem zum Schluss der vergangenen Saison beide Torhüter des Bayernliga- Meisters erklärten, für die kommende Runde nicht mehr zur Verfügung zu stehen, hatte manch einer bereits die Befürchtung, das Team um Tobias Wannenmacher müsse am Ende ohne Schlussmann in der 3. Liga antreten. Relativ schnell ergaben sich dann erste Kontakte zu Lars Goebel (20), dessen Verpflichtung zu Beginn der Vorbereitung vermeldet werden konnte. Daneben hatte bereits zum Ende der Runde mit Valentin Kroher (17) ein junger Keeper aus dem eigenen Nachwuchs sein Engagement deutlich erhöht, an jeder Trainingseinheit der 1. Mannschaft teilgenommen und damit seinen Willen bekundet, den nächsten Schritt zu gehen. Dabei will er das im Training mit dem Drittligateam Gelernte in den Spielen mit der 2. Mannschaft in die Praxis umsetzen und den Anschluss an die „Erste“ herstellen bzw. halten.
Beide jungen Torhüter waren und sind sich jedoch einig, dass sie von einem erfahrenen Kollegen nur profitieren können. Nun verkündeten die Verantwortlichen des SV 08 die faustdicke Überraschung: Andreas Bayerschmidt vom HC Erlangen wird in der kommenden Saison das Tor der Auerbacher hüten. „Bayers“, wie der 1,96 Meter Hüne auch genannt wird, hatte erst Ende Mai seinen Rücktritt vom Profihandball verkündet. Der 38-jährige Erlanger, der von 1983 bis 2001 (HG Erlangen) und nach einem kurzen Intermezzo in Aue (2001–2005) von 2005 bis 2015 das Trikot des HC Erlangen trug, erklärte damals, er werde in Zukunft wieder verstärkt ins Berufsleben als Zahntechniker, Fachinformatiker für Systemintegration und Projektmanager zurückkehren. "Lust auf Handball verspüre ich zwar immer noch, ich habe mich aber entschieden, meine Karriere beim HC Erlangen zu beenden und mich nach Saisonende noch stärker auf meine berufliche Zukunft zu fokussieren. Ich will aber nicht ausschließen, dass ich woanders noch einmal im Tor stehen werde", so Bayerschmidt damals.
Ob er zu diesem Zeitpunkt bereits an den SV 08 Auerbach dachte, ist fraglich, schließlich hatte er noch wichtige Spiele im Kampf gegen den Abstieg aus der 1. Bundesliga zu bestreiten. Ein sicherlich möglicher Wechsel zu einem anderen Bundesligisten kam jedoch nicht in Betracht. „Die Möglichkeiten zu einem Bundesligateam zu wechseln habe ich nicht geprüft, hier bestand für mich kein Interesse, da ich mich mit meiner Familie nicht räumlich verändern wollte.“ Zudem gab es nur wenige Anknüpfungspunkte zu seinem neuen Team. „Ich kenne natürlich Tobias Wannenmacher, mit dem ich lange Jahre zusammen gespielt habe und zu dem der Kontakt auch wegen seiner Tätigkeit bei der HC-A-Jugend nie ganz abgerissen ist. Durch „Wanne“ kam auch der Kontakt zum SV 08 zustande, wobei ich über eine Zusammenarbeit mit ihm als Trainer kein Urteil erlauben will, schließlich kenne ich ihn nur als Spieler. Darüber hinaus kenne ich nur einzelne Spieler, die in den letzten Jahren von Erlangen nach Auerbach gewechselt sind, hoffe aber, dass ich mich nicht gleich am Anfang unbeliebt mache, wenn ich gestehen muss, nichts über den SV 08 und die Stadt Auerbach zu wissen, außer deren geographischer Lage.“
Die engste Beziehung hat er naturgemäß zu den Kollegen zwischen den Pfosten. „Lars kenne ich ja nun auch schon einige Jahre aus unendlich vielen Trainingseinheiten. Zudem haben wir nach meinem Kreuzbandriss im Jahr 2013 bereits kurzzeitig ein gutes Gespann in der zweiten Mannschaft des HC gebildet. Ziel sollte es sein, dass ich ihm so viel Feuer unter dem Allerwertesten mache, dass ich eigentlich nicht benötigt werde.“ Auch Vorgänger Philipp Walzik ist kein Unbekannter für Bayerschmidt, ein Vergleich zwischen beiden fällt jedoch schwer. „Es gibt eigentlich nur drei Dinge, die ich mit Philipp gemeinsam habe; Herkunft, Freundschaft und die Emotionen. Ich denke schon allein von den körperlichen Voraussetzungen müssen wir unterschiedliche Torwarttypen sein. Kurz und knapp würde ich mich als das komplette Gegenteil beschreiben.“ Mag dem „Alten“ eine gewisse Vorbildfunktion für die „jungen Wilden“ zukommen, er selbst hat mit 38 Jahren keine Vorbilder mehr, denn „da könnte ich mir eh’ nix mehr abschauen. Früher war es jedoch Andreas Thiel, gegen den ich selbst noch spielen durfte.“ Mit „früher“ meint er wohl die Zeit, als alles begann und er durch seine Eltern zum Handball kam. „Scheinbar war ich im Alter von 6 Jahren so unausstehlich, dass ich zum Handball (HG Erlangen) geschickt wurde.“
Was erwartet sich nun ein derart erfahrener Spieler von seiner Zeit in Auerbach und in der 3. Liga? „Sportlich erhoffe ich mir natürlich Erfolg, persönlich wünsche ich mir Spaß mit dem neuen Team und dem Auerbacher Publikum. Eine Prognose für die anstehende Saison fällt mir allerdings relativ schwer. Grundsätzlich sollte das Ziel der Klassenerhalt sein, aber auch ohne die kommenden Gegner im Detail zu kennen, weiß ich aus der Erfahrung, dass es als etablierte Mannschaft immer schwer ist, gegen ambitionierte Aufsteiger – als solchen sehe ich den SV 08 - zu spielen.“ Für die Verantwortlichen des SV 08 Auerbach ist Bayerschmidt der Königstransfer, ein Hochkaräter, von dem man noch vor einigen Jahren nicht einmal zu träumen gewagt hätte. „Ich denke nicht, dass ohne das Engagement und die Kontakte von Tobi Wannenmacher all die Spieler in den letzten Jahren nach Auerbach gekommen wären“ lobte Manager Peter Hackenberg in diesem Zusammenhang seinen Trainer und fuhr fort: „Unsere Kaderplanungen sind damit fast abgeschlossen. Ich denke, auch wenn wir auf der einen oder anderen Position noch Verstärkungen gebrauchen könnten, haben wir inzwischen ein Team, mit dem wir einigermaßen ruhigen Gewissens die Herausforderung 3. Liga angehen können.“