Der Grund der Panik stand oben auf der Anzeigetafel. 1:5. Dabei war das eigentlich nicht schlimm. Gegen einen Aufsteiger aus Bayern ist das aufholbar. Dachten die 805 Fans in der Anhalt-Arena. Hofften wahrscheinlich auch die Spieler. Doch: "Je mehr Fehler wir gemacht haben, desto wahnsinniger wurde die nächste Aktion", war Swiridenko fassungslos. 6:17 stand es zur Halbzeit. Es war ein unglaubliches, ein unwirkliches, aber auch ein verdientes Resultat. "Wir haben", gab Swiridenko zu, "heute als Mannschaft versagt."
Dessau-Roßlauer HV gegen SV Auerbach: Nicht wenige, hatten die beiden Punkte schon vorab auf der Habenseite gebucht. "Wir waren angereist, um Schadensbegrenzung zu betreiben", gab Auerbachs Spielertrainer Andreas Wannenmacher zu. "Doch dann haben wir jeden Fehler ausgenutzt, der uns präsentiert wurde." Das Erstaunen des 34-Jährigen war unüberhörbar, das Entsetzen bei seinem Dessau-Roßlauer Trainerkollegen unübersehbar. "Ich kann mich nur entschuldigen für die Leistung meiner Mannschaft. Das war heute ein totaler Ausfall an allen Ecken."
Dessau-Roßlau hatte den Start in das Spiel verpatzt. Robert Lux, Armands Uscins, Marco Hüls: drei Angriffe, drei Fehlwürfe. Es war der Anfang vom Ende. Es folgte eine erste Halbzeit, die die schwächste war seit vielen, vielen Jahren. "Unter meiner Regie kann ich mich an ein solches Spiel nicht erinnern", sagt Swiridenko nach dem 21:27, einem End-Ergebnis, das über die Kräfteverhältnisse sogar noch täuschte. "Die Spieler stehen selbst unter Schock."
Swiridenko probierte viel. Nahm Robert Lux runter, brachte Chris Alisch. Nahm Marco Hüls von der Mitte, ließ dort Armands Uscins ran. Rief Martin Danowski vom Parkett, probierte es mit Sebastian Donath. Die einzige Konstante in der ersten Halbzeit war die hohe Fehlerquote. 15 Fehlwürfe, sechs einfachste technische Fehler, vier Stürmerfouls: Dessau-Roßlau verkrampfte von Minute zu Minute mehr und lag beim 3:13 (24.) erstmalig mit zehn Toren zurück. Es war ein Albtraum. Ohne ein Erwachen. Und das, obwohl Torwart Andreas Sprecher noch Schlimmeres verhinderte.
"In der Pause haben wir uns noch einmal heiß gemacht", sagte Swiridenko. Doch die zweite Halbzeit begann mit einem Fehlwurf von Robert Lux und einem wegen Übertretens nicht gegebenen Tor von Tomasz Pavlicek. Es war der Moment, als alle merkten: Hier geht heute nichts mehr.
Auerbach machte das clever. Die offensive Abwehr bereitete Dessau-Roßlau große Sorgen. "Die kann man so nur spielen, wenn man daran glaubt", sagte Auerbachs Trainer Wannenmacher. "Das haben wir heute getan." Im Angriff fand Auerbach die richtige Mischung aus Tempo-Spiel und geduldigem Abwarten. Immer wieder wurde Dessau-Roßlaus nach allen Regeln der Handball-Kunst auseinander genommen. Wenn man nicht gewusst hätte, wer da am Sonntag der Aufsteiger war...
"Das Wort Aufsteiger ist in der Vorbereitung nicht gefallen", versicherte Swiridenko. "Der Gegner wurde nicht unterschätzt." Der Eindruck war trotzdem da: Dass die Mannschaft dachte, das kriegt man irgendwie schon hin. "Doch in der dritten Liga schlägt man den anderen nicht einfach mal so", sagte ein völlig enttäuschter Präsident Thomas Zänger und fand "Das Spiel heute haben die Leistungsträger verloren." Am Ende saßen die alle auf der Bank. Aus der Startsieben stand nur noch Armands Uscins auf dem Parkett. Zu retten war aber nichts mehr.
"Die Niederlage schmerzt", sagte Zänger - und forderte eine Reaktion. Von Trainer und Mannschaft. Swiridenko blieb zurückhaltend. Zuckerbrot oder Peitsche? "Ich muss da erst einmal eine Nacht drüber schlafen und das Video noch einmal anschauen." Um herauszukriegen, woher die Panik in den Augen seiner Spieler kam.
Sprecher, Hoffmann - Schöne, Müller 1, Uscins 1, Donath 4, Alisch 3, Najmann 2, Lux 6, Pratersch, Schmidt 2, Hüls 2, Danowski
Sprungbrett Mitteldeutsche Zeitung