Es waren turbulente Tage für die Handballer der HSG Pohlheim. Eigentlich hatten die Spieler von Trainer Thomas Wallendorf noch ein paar freie Tagen vor dem Trainingsauftakt am Dienstag vor sich, doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Bereits seit Wochen wurde spekuliert, dass Süd-Drittligist Stuttgarter Kickers den Spielbetrieb einstellen könnte. Am Mittwochabend war dies Gewissheit. Der Gesamtverein aus Stuttgart stellte per Beschluss der Mitgliederversammlung fest, dass sich der Verein mit sofortiger Wirkung vom Spielbetrieb zurückziehen wird. Dies teilte der Handball-Verband Württemberg am Donnerstag mit. Plötzlich war also ein Platz frei geworden in den Staffeln der 3. Liga, die HSG Pohlheim als Verlierer der Abstiegsrelegation gegen VfL Eintracht Hagen erster Kandidat für einen möglichen Nachrückerplatz und damit erster Ansprechpartner von Spielleiter Michael Kulus (3. Liga), der die Pohlheimer sofort kontaktierte. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch unklar gewesen, ob die Kickers nicht vielleicht doch bereits vor Saisonstart als erster Absteiger zählen müssen, da das neue Spieljahr faktisch bereits am 1. Juli begonnen hat, oder es doch eine Möglichkeit gibt, einen der Absteiger – auch die TSG Söflingen hatte Interesse an der Rückkehr in die 3. Liga – »zurückkehren« zu lassen, um mit kompletter Gruppenstärke die Runde zu bestreiten. Gestern entschied der Deutsche Handball-Bund (DHB), einen Nachrücker für die Anfang September beginnende Saison 2012/2013 zuzulassen. »Wir haben diese Möglichkeit rechtlich prüfen lassen und sind mit DHB-Präsidium und -Regionalrat übereingekommen, dass wir die neue Saison mit 16 Mannschaften bestreiten werden«, erklärte Kulus. Bei der Wahl des Nachrückers erhalte Pohlheim als Verlierer des Relegationsfinales klar den Vorzug vor Söflingen. Dass die Liga vervollständigt werde, finde eine breite Zustimmung aller Beteiligten, auch die der Vereine«, so Kulus, der den Pohlheimern bis gestern Zeit für eine Entscheidung gegeben hatte, ob man in der 3. Liga spielen will.
Am Samstag hatten sich die Verantwortlichen der HSG zu einer Sitzung getroffen, am Sonntag wurde die neue Situation mit der Mannschaft besprochen. Die sprach sich »zum Großteil dafür aus, dem DHB zu signalisieren, dass man für die 3. Liga bereit ist«, erklärte Mannschaftskapitän Sebastian Fay. »Natürlich haben wir auch Bauchschmerzen bei dieser Entscheidung. Uns allen ist bewusst, dass sich der Aufwand, zumindest bei den Auswärtsfahrten, erhöhen wird. Durch den Abstieg von Kleenheim und der Eingruppierung von Münster in die Süd-Gruppe würden wir neun Fahrten zwischen 700 und 1100 km haben. Dadurch wird es auch finanziell eng, aber wir packen es, da wir im Vergleich zur Konkurrenz nur einen Mini-Etat haben«, ergänzt Manager Harald Gorldt. Trainer Thomas Wallendorf: »Der Verein und die Mannschaft haben in der abgelaufenen Saison alles versucht, die Klasse zu halten. Leider hat es am Ende nicht gereicht. Wenn wir nun die Chance bekommen, müssen wir sie wahrnehmen, auch wenn schon wichtige Zeit verstrichen ist, um personell aktiv zu werden.« So wie es derzeit aussieht, wird die HSG in der Ost-Gruppe den Platz der TG Nieder-Roden einnehmen, die lieber in der Süd-Staffel an den Start gehen wird.
Auch im Bereich des Hessischen Handball- Verbandes kann diese Entwicklung Auswirkungen haben. »Sobald wir von offizieller Seite wissen, dass Pohlheim das Angebot des DHB annehmen wird, werden wir überlegen, ob wir das Verfahren des Lückenschlusses auch in unserem Bereich anwenden. Dazu ist aber ein Präsidiumsbeschluss notwendig. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir im Sinne des Handballs entscheiden werden«, sagte HHV-Präsident Rolf Mai gestern auf Anfrage dieser Zeitung. Das würde bedeuten, dass der HHV der HSG Wettenberg anbieten wird, den Platz der Pohlheimer in der Oberliga einzunehmen. Die Folge wäre, dass die MSG Linden anstelle der Wettenberger in der neuen Saison in der Landesliga antreten könnte, und dass man in der Gießener Bezirksoberliga wieder die eigentliche Sollstärke von 14 Teams erreicht. »Am Ende wäre allen Beteiligten geholfen«, so Mai vielsagend.
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