28 Kandidaten hatten sich die letzten zwei Wochenenden zum Neulingskurs für Handball-Schiedsrichter in Bayreuth versammelt.
Obwohl sie aus ganz Oberfranken kamen, klingt das bei einer Gesamtzahl von 238 ausgebildeten Unparteiischen im Bezirk nach einer stattlichen Erweiterung des Kaders. Das Problem des oberfränkischen Schiedsrichter-Lehrwarts Peter Wagner ist jedoch gar nicht so sehr die Zahl der Neulinge. „Das Problem ist die Zahl der Abbrecher“, sagt der 53jährige Pegnitzer, der seit 36 Jahren als Schiedsrichter tätig ist und dabei bis in die Regionalliga aufgestiegen war. Eine Quote von „bis zu 80 Prozent“ an Neulingen, die im ersten oder zweiten Jahr schon wieder mit dem Pfeifen aufhören, sei verantwortlich für eine rückläufige Gesamttendenz. In der kommenden Saison bestehe erstmals die Gefahr, dass nicht mehr alle Pflichtspiele von neutralen Schiedsrichtern geleitet werden können: „Dann würden wir erst alle Jugendspiele besetzen und dann die Erwachsenen“, sagt Wagner.
Eine Ursache für den Rückzug vieler Neulinge sieht der Lehrwart im Erwartungsdruck: „Die Spieler verzeihen meist noch eher einen Fehler. Aber der Druck vonseiten der Betreuer und bei Jugendspielen auch von den Eltern nimmt in den letzten Jahren zu. Da sagen sogar erfahrene Schiedsrichter: Das tue ich mir nicht mehr an.“ Die Tendenz gehe dabei zu einer Verrohung der Umgangsformen: „Früher hat es das nicht gegeben, dass ein Jugendspieler einen Schiedsrichter mit Schimpfworten beleidigt.“ Die Verantwortung liege bei den Trainern: „Die haben in so einem Fall versagt.“
Pflichtaufgabe für alle Besserwisser
Aufschlussreicher Selbstversuch: Schiedsrichter-Prüfung ermahnt zum Respekt vor Details des Regelwerks
Mehr als 30 Jahre lang selbst gespielt, mehr als 30 Jahre lang darüber berichtet – diese Referenzen gaben das nötige Selbstvertrauen für einen gewagten Versuch: Kann man die Schiedsricher-Prüfung bestehen, ohne vorher einen Lehrgang zu besuchen? Immerhin: Die Antwort lautet „ja“. Allerdings reichte es bei der Theorie lediglich zur absoluten Mindestpunktzahl, die gerade noch als ausreichend akzeptiert wird (54 von 90 möglichen). Trotz einer gewissen Ratechance beim Ankreuzen von vorgegebenen Alternativen war nur genau die Hälfte der 30 (bayernweit einheitlichen) Fragen umfassend richtig beantwortet. Die fehlenden 36 Wertungspunkte ermahnen derart streng an den Respekt vor den Details des Regelwerks, dass dieses Experiment für alle Besserwisser auf den Zuschauertribünen sämtlicher Sportarten zur Pflichtaufgabe werden sollte.
Besonders zu denken geben muss es einem ehemaligen Torwart, wenn er an Fragen zum Torwart-Verhalten scheitert. Meine Antwort zu Frage 20 war insofern desaströs: Beim geschilderten Zusammenprall mit einem Spieler beim Gegenstoß ging die Sympathie für den Schlussmann durch. Schließlich war er doch als Erster am Ball und hatte ihn vor der Kollision gefangen! Aber nach neuerer Regelauslegung hilft ihm das nicht: Der Torwart ist heutzutage in solchen Szenen immer schuld und bekommt die volle Härte des Gesetzes zu spüren: Siebenmeter, Rote Karte! Zum Glück ging es beim Test toleranter zu, und mir kam ein Prinzip entgegen, das Lehrwart Peter Wagner bei seiner Einführung eher scherzhaft erwähnt hatte: „Bei keiner Frage kann man weniger als null Punkte bekommen.“
Nach dieser Erfahrung war die Vorfreude auf den zweiten Teil der Prüfung nicht mehr ganz ungeteilt: Praxis! Die Viertelstunde als Schiedsrichter bei einem Spiel mit den Lehrgangsteilnehmern fühlte sich dann aber recht entspannt an. Doppeldribbling, Stürmerfoul, Siebenmeter, Vorteil bei einem Torwurf mit Foul – zumindest war wohl keine dieser Entscheidungen vollkommen peinlich. Und doch gab es auch bei diesem Teil der Manöverkritik von Peter Wagner immer noch Überraschungen im Detail. Ganz ehrlich: Dass der Schiedsrichter beim Siebenmeter immer auf der Wurfhandseite des Schützen steht, (wegen des Blickkontakts) ist mir in all den Jahren nie aufgefallen. Trotzdem fiel das Urteil des Lehrwarts aber sehr positiv aus: „Praxistest mit Bravour bestanden!“ Wie gut, dass in diesem Spiel niemand beim Gegenstoß mit dem Torwart zusammengeprallt war!
Eberhard Spaeth
Nordbayerischer Kurier vom Dienstag, 25. Juni 2013
Sprungbrett HaSpo Bayreuth