Noch einmal steht dem SV 08 Auerbach ein langer Tag bevor, wenn man am Samstag um 14:15 Uhr zum letzten Spiel des Jahres aufbricht, noch einmal warten fast 300 Kilometer Autobahn, noch einmal benötigt man 60 Minuten volle Konzentration auf dem Spielfeld, noch einmal eine späte Rückkehr, dann wird der Spielbetrieb der 3. Liga für vier Wochen unterbrochen.
Zumindest die mitreisende Fanschar kann sich vor dieser letzten Partie noch ein wenig entspannen und der 30.000 Einwohner-Stadt Herrenberg einen touristischen Besuch abstatten. Die Große Kreisstadt ist die viertgrößte Stadt im Landkreis Böblingen und liegt in der Mitte Baden-Württembergs etwa 30 Kilometer südwestlich von Stuttgart und 20 Kilometer westlich der Universitätsstadt Tübingen. Das Wahrzeichen der Stadt ist die Stiftskirche, mit deren Bau bereits 1276 begonnen wurde. Sie überstand alle Wirren und Kriege, die über Herrenberg hinweg zogen ebenso, wie zwei große Brände, bei denen die Stadt jeweils fast vollständig zerstört wurde. Die einheitliche und geschlossene Form der historischen Altstadt mit ihren vielen Fachwerkhäusern entstand nach dem zweiten Großbrand im Jahre 1635 und bildet bis heute den stimmungsvollen Rahmen für den alljährlich auf dem Marktplatz stattfindenden Weihnachtsmarkt.
Auch wenn mit Kim Kulig eine aktuelle Fußball-Nationalspielerin und mehrfache Europa- und Weltmeisterin aus Herrenberg stammt, so sind die derzeitigen sportlichen Aushängeschilder der Stadt doch eher im Handball zu finden. So treten sowohl die Herren-, als auch die Damenmannschaft der SG H2Ku in der 3. Bundesliga an, wobei letztere die Tabelle ihrer Staffel anführen und an diesem Samstag um 17:30 Uhr im Topp-Spiel den punktgleichen Tabellen-Zweiten TSV Haunstetten empfangen. Somit wird die etwa 1.100 Zuschauer fassende Markweghalle voraussichtlich gut gefüllt sein und mit einer guten Stimmung aufwarten. Allerdings kann sich die SG H2Ku seit Jahren auf einen regen Zuspruch ihrer Fans verlassen. Allein in der laufenden Spielzeit besuchten durchschnittlich 570 Zuschauer die Heimspiele und unterstützen ihr Team trotz eines bisher eher durchwachsenen Saisonverlaufes.
So hatte sich manch einer ein besseres Abschneiden und damit ein Anknüpfen an erfolgreichere Tage erhofft. Immerhin blickt die 1993 als Fusion der Handballabteilungen der Stadteil-Vereine TV Haslach, HSV Oberjesingen/Kuppingen und VfL Herrenberg entstandene Spielgemeinschaft auf äußerst erfolgreiche Jahre im deutschen Handball zurück. Größter Erfolg war dabei der Aufstieg in die 2. Bundesliga im Jahr 2010. Nach einem Jahr Zweitklassigkeit ging es zurück in die 3. Liga, wo man sich seither mit den Plätzen 10 und 11 begnügen musste. In der vergangenen Spielzeit lag man nach der Hinrunde gar auf einem Abstiegsplatz und konnte erst durch eine deutliche Steigerung in der Rückrunde und einem 8:0-Punkte-Lauf in den letzten vier Spielen den Klassenerhalt sichern. Danach jedoch kam es zu einem deutlichen Umbruch im Team. Allein sieben Abgänge teils langjähriger Leistungsträger mussten verkraftet werden. Stammtorhüter Tobias Barthold verließ den Verein ebenso wie Regisseur Tobias Hold. Valentin Hörer, im letzten Jahr noch der erfolgreichste Torschütze der SG, tritt inzwischen für den Ligakonkurrenten in Pforzheim an.
Neben zwei „Beförderten“ aus der 2. Mannschaft mussten fünf Neuzugänge ins Team integriert werden. Dabei handelt es sich im Falle von Torhüter Markus Eipperle um einen Rückkehrer. Das Herrenberger Eigengewächs hatte eine Spielzeit beim TSB Heilbronn/Horkheim zwischen den Pfosten gestanden. Dazu gesellen sich mit den Rückraumakteuren Jona Schoch (19) und Mihailo Djurdjevic (27) zwei Spieler mit Erst- bzw. Zweitliga- Erfahrungen. Schoch, der gleichzeitig mit einem Zweitspielrecht beim Erstligisten Frisch Auf Göppingen ausgestattet ist, hat sich als erfolgreichster Torschütze bereits bestens etabliert. Ähnlich torgefährlich zeigten sich bisher der vor allem über links Außen kommende Allrounder Ingo Krämer und Christian Rau auf der rechten Rückraumseite. Mittelmann Christian Dürner, der beim TV Neuhausen ebenfalls schon in der 2. Liga spielte, wird möglicherweise nicht gegen Auerbach auflaufen dürfen. Ähnlich wie Mario Schmidtke bei den Blau-Weißen wurde er im letzten Spiel mit einer Roten Karte mit Bericht bedacht.
Trainer Nico Kiener, der bereits mit 17 Jahren sein Debüt in der 1. Mannschaft der SG gab und seinem Team mit nur einer Spielzeit Unterbrechung 15 Jahre lang treu blieb, musste 2012 seine aktive Laufbahn nach einem dritten Kreuzbandriss endgültig beenden. Im Sommer 2013 übernahm der Linkshänder und ehemalige Junioren-Nationalspieler von Stephan Christ das Traineramt bei seinem Heimatverein. Christ hatte seine Zusage aus beruflichen Gründen zurückgezogen und der eigentlich als Co-Trainer vorgesehene Kiener musste einspringen. Daneben ist er Landestrainer im Württembergischen Handballverband und zusätzlich Trainer der U-17-Juniorinnen-Nationalmannschaft. „Ich kenne Nico gut“ erinnert sich Tobias Wannenmacher. „Wir waren mehrmals zusammen bei Lehrgängen der Junioren-Nationalmannschaft.“
Auf wen der Auerbacher Spielertrainer am Samstag zählen kann, konnte er unter der Woche noch nicht abschließend sagen. Alexander Tannenberger laboriert immer noch an seinem Bänderriss und Sebastian Walz hofft trotz einer schmerzhaften Oberschenkelverletzung dabei sein zu können. Für den gesperrten Mario Schmidtke rückt Philipp Schöttner wieder zurück ins Aufgebot. Die SG H2Ku ist für Wannenmacher „unberechenbar. Einerseits verlieren sie mit einem Tor in Zweibrücken, andererseits holen sie einen Punkt in Pforzheim – und das jeweils nach einem Rückstand von sechs oder sieben Toren.“ Die größte Überraschung gelang der Kiener-Sieben allerdings am 5. Spieltag, als man völlig unerwartet beim HSC 2000 Coburg mit 23:24 gewann. „Nur wenn wir eine ähnliche Leistung wie am letzten Samstag abrufen können, bewegen wir uns auf Augenhöhe mit Herrenberg“ prognostizierte Tobias Wannenmacher.
Aufstellung: Adam, Walzik, Schramm, Weiss, Walz, Müller, Lux, Wannenmacher, Brodschelm, Herold, Wolf, Schöttner